Interview
Unser Fahrplan für Wolfenbüttel
Neue Wege, neue Köpfe – wie die Stadtwerke Wolfenbüttels Zukunft gestalten
Ein neuer Geschäftsführer, ein ambitionierter Strategieplan und ein erfolgreiches Jahr trotz Unsicherheiten – im Doppelinterview sprechen Vera Steiner und Ingo Schultz über Herausforderungen, Perspektiven und den Weg der Stadtwerke Wolfenbüttel bis 2040.
Herr Schultz, Sie sind seit wenigen Monaten in Wolfenbüttel – was war Ihr erster Eindruck vom neuen Arbeitgeber?
Ingo Schultz: Ich wurde sehr freundlich aufgenommen und habe ein funktionierendes, engagiertes Stadtwerk vorgefunden. Beeindruckt hat mich, wie viele Mitarbeiter hier mit echter Überzeugung bei der Sache sind. Da steckt viel Know-how und Herzblut drin – das war sofort spürbar.
Frau Steiner, wie fällt Ihre Bilanz des Geschäftsjahres 2024 aus?
Vera Steiner: Überraschend gut. Trotz unsicherer Rahmenbedingungen – von Energiepreisen über Politik bis hin zu Personalengpässen – haben wir ein besseres Ergebnis erzielt als erwartet. Das lag nicht zuletzt an kluger Beschaffung, aber auch an außerordentlichem Einsatz der Belegschaft.
„Die Strategie wächst mit uns. Sie ist nicht statisch, sondern wird kontinuierlich weiterentwickelt.“
Was waren die Meilensteine im vergangenen Jahr?
Vera Steiner: Ganz klar: Die Entwicklung und Verabschiedung unserer Strategie 2040. Wir haben sie mit großer Beteiligung der Belegschaft und den Gesellschaftern erarbeitet - ein Prozess intern wie extern, mit Workshops, Austausch und viel Kommunikation.
Ingo Schultz: Und es war gut, dass ich schon vor meinem offiziellen Start in diesen Prozess eingebunden war. So konnte ich mich in Themen wie Netzausbau oder Wärmewende früh einarbeiten und gleich Verantwortung übernehmen.
230 Millionen Euro Investitionen bis 2040 – das klingt nach einer Mammutaufgabe. Wie realistisch ist das?
Vera Steiner: Sehr realistisch. Wir haben die Finanzierbarkeit durch zwei Banken bestätigt bekommen. Und wir haben ein Unternehmen, das will und kann. Wichtig ist: Die Strategie wächst mit uns. Sie ist nicht statisch, sondern wird kontinuierlich weiterentwickelt.
Ingo Schultz: Ein wesentlicher Baustein unserer Zukunftsstrategie ist der Ausbau der Stromnetze. Dieser Weg ist unumkehrbar. Klar ist: Wenn wir Wärme und Verkehr elektrifizieren, brauchen wir ein leistungsfähiges Stromnetz. Deshalb investieren wir in Mittel- und Niederspannung, in neue Trafostationen und in die Digitalisierung – mit Augenmaß, aber mit Entschlossenheit.
Was ist in puncto Umsetzung der nächste Schritt?
Vera Steiner: Parallel zu den ersten Investitionen starten wir die sogenannte Zielnetzplanung. Die beschreibt, wie unser Stromnetz künftig strukturiert sein muss, um flexibel und robust zu sein. Das ist komplex, aber entscheidend für die nächsten Jahre.
Sie sprechen viel über Prozesse und Wandel. Wie nehmen Sie Ihre Mitarbeiter mit?
Vera Steiner: Mit Transparenz und Einbindung. Wir haben unternehmensweit eine Zukunftswerkstatt gestartet, in der Führungskräfte, Betriebsrat und Unternehmensentwicklung gemeinsam arbeiten. Wir setzen auf Austausch statt Ansagen. Veränderung funktioniert nur, wenn die Menschen sie mittragen – nicht nur verstehen, sondern auch gestalten dürfen. Wir kennen nicht alle Antworten, aber wir schaffen Räume für Ideen, für Fehler und für Lernen. Das ist Kulturarbeit.
„Veränderung funktioniert nur, wenn die Menschen sie mittragen – nicht nur verstehen, sondern auch gestalten dürfen.“
Ein Blick auf den Arbeitsmarkt: Wie stark spüren Sie den Fachkräftemangel – und wie begegnen Sie ihm?
Vera Steiner: Er ist da, ohne Frage. Aber wir spüren auch, dass unsere Themen und unser Profil ziehen. Wir haben alle Ausbildungsplätze besetzt und auch bei Bewerbungen insgesamt positive Rückmeldungen. Entscheidend ist, dass wir massiv in Ausbildung und Weiterbildung investieren – das tun wir.
Ingo Schultz: Und wir merken, dass wir als Stadtwerk mit unserer Größe, unserer Klarheit und unserer Sichtbarkeit für viele attraktiv sind – vor allem, wenn es um die Umsetzung der Energiewende geht.
Stadtwerke gelten als besonders robuste Unternehmen. Gilt das auch für Wolfenbüttel?
Vera Steiner: Absolut. Wir sind in der Region verankert, unsere Mitarbeiter identifizieren sich mit dem, was wir tun. Und wenn’s drauf ankommt, ist Verlass auf alle. Das haben wir in jeder Krise gesehen – zuletzt bei der Energiepreiskrise.
Ingo Schultz: Was wir machen, ist sinnstiftend. Wir sichern die Versorgung für 56.000 Menschen. Und das sieht man auch: Wer hier ein Projekt plant, sieht später die Trafostation stehen. Diese Sichtbarkeit macht Stadtwerke attraktiv – auch im Vergleich zu großen Konzernen.
Nachhaltigkeit war zuletzt nicht mehr so präsent in der öffentlichen Debatte. Wie halten Sie das Thema lebendig?
Vera Steiner: Nachhaltigkeit ist bei uns kein Modethema, sondern Teil unseres Selbstverständnisses. Auch wenn die Berichtspflicht aktuell ausgesetzt wurde – wer langfristig wirtschaften will, kommt an nachhaltigem Handeln nicht vorbei.
Ingo Schultz: Und es geht ja nicht nur um einen Bericht – es geht ums Tun. Wir investieren in regionale Ökostromversorgung, in ressourcenschonende Netze sowie effiziente Prozesse und bieten unseren Mitarbeitern ein gesundes und attraktives Arbeitsumfeld. Das ist gelebte Nachhaltigkeit, und die macht uns auch für die nächste Generation als Arbeitgeber interessant.
Ein Wort noch zur politischen Lage – was erwarten Sie von der neuen Regierung?
Vera Steiner: Vor allem eines: Verlässlichkeit. Wir brauchen keine Hauruck-Reformen mit unrealistischen Fristen, sondern eine Politik mit Augenmaß.
Ingo Schultz: Die Richtung stimmt – Klimaneutralität 2040 ist richtig. Jetzt kommt es auf Planungssicherheit an. Dann können wir als Stadtwerk auch weiter vorangehen.